Auswirkungen des Wachstumschancengesetzes auf die Verrechnungspreise bei Finanztransaktionen ab dem Jahr 2024
Bearbeitungsstand 23. Mai 2024
Konzipiert war das Wachstumschancengesetz als große steuerliche Entlastung für die Unternehmen in Deutschland.
Nachdem die Abgeordneten des Deutschen Bundestages das Wachstumschancengesetz bereits am 17. November 2023 verabschiedet hatten, hat nunmehr nach diversen Überarbeitungen auch der Bundesrat am 22. März 2024 dem Wachstumschancengesetz zugestimmt.
Faktisch ist die Entlastung schlussendlich deutlich geringer ausgefallen als propagiert.
Doch nicht nur das:
Gleichsam wurden neue Verrechnungspreisvorschriften bezüglich Finanztransaktionen eingeführt. Nachdem der Gesetzgeber zunächst eine weitere Beschränkung des Abzugs von Fremdfinanzierungsaufwendungen in Form einer Zinshöhenschranke (§ 4l EStG-E) einführen wollte, hat er nach heftiger diesbezüglicher Kritik „lediglich“ den Fremdvergleichsgrundsatz in neuen Absätzen 3d und 3e in § 1 AStG bei grenzüberschreitenden Finanzierungsbeziehungen präzisiert.
Zumindest ist eine gesetzliche Kodifizierung der strittigen Themen zu begrüßen, die bislang lediglich in den Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023 behandelt wurden.
Teile der Neuregelung sollen im Folgenden kurz dargestellt werden:
Neuregelung in § 1 Abs. 3d AStG: Schuldentragfähigkeit und Gruppenrating
Entsprechend dem neu eingeführten § 1 Abs. 3d AStG sollen insbesondere zwei Fallkonstellationen dem Fremdvergleichsgrundsatz widersprechen, wenn ein aus einer grenzüberschreitenden Finanzierungsbeziehung innerhalb einer multinationalen Unternehmensgruppe resultierender Aufwand die Einkünfte des Steuerpflichtigen gemindert hat und
- Der Steuerpflichtige nicht glaubhaft machen kann, dass er (a) den Kapitaldienst für die gesamte Laufzeit von Anfang an hätte erbringen können (Schuldentragfähigkeit) und (b) die Finanzierung wirtschaftlich benötigt und für den Unternehmenszweck verwendet.
- Der zu entrichtende Zinssatz denjenigen Zinssatz übersteigt, zu dem sich das Unternehmen auf Grundlage des Gruppenratings finanzieren könnte. Entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz besteht hier jedoch die Möglichkeit eines Gegenbeweises basierend auf dem Einzelrating.
Hintergrund der Regelung ist, dass die deutschen Verrechnungspreisvorschriften weiter an das Kapitel X der OECD-Verrechnungspreisleitlinien angenähert werden sollen mit dem Ziel der Harmonisierung.
Dies gelingt jedoch nur bedingt, da die OECD-Verrechnungspreisleitlinien eine Verwendung des Gruppenratings weniger pauschal befürworten, sondern lediglich unter engen Voraussetzungen. Dies gilt zum Beispiel, wenn der Darlehensnehmer eine sehr wichtige Bedeutung für die Gruppe besitzt.
Davon unabhängig ist zu konstatieren, dass durch die Betrachtung der Aufwendungen aus der gruppeninternen Finanzierung der Fall inländischer Darlehensnehmer betrachtet wird und somit Inbound- und Outboundfall unterschiedlich behandelt werden.
Zeitlicher Anwendungsbereich der Neuregelungen und (fraglicher) Bestandschutz für bereits existierende Finanzierungsbeziehungen
Vielfach wird in der Beraterschaft davon ausgegangen, dass kein Bestandsschutz für bereits bestehende Dauersachverhalte geregelt wurde, so dass die Neuerungen auch für bereits existierende gruppeninterne Darlehen gelten und nicht erst für im Jahr 2024 neu abgeschlossene.
Dem steht jedoch entgegen, dass gemäß der Gesetzesbegründung durch den zeitlichen Anwendungsbeginn der Neuregelungen ab dem Veranlagungszeitraum 2024 den inländischen Steuerpflichtigen die Möglichkeit gegeben werden soll, sich auf diese Regelungen einzustellen.
Dies wäre unmöglich, wenn bereits bestehende gruppeninterne Finanzierungen von der Neuregelung des Wachstumschancengesetzes erfasst wären.
Ebenfalls zu bedenken ist die gesetzlich gewährte Möglichkeit des Gegenbeweises, der sinnvollerweise zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung vorzubereiten ist wie auch die Kapitaldiensttragfähigkeitsanalyse, die Finanzmittelbedarfs- und die Finanzmittelverwendungsanalyse.
Eine Ex-post-Analyse bei bereits bestehenden Konzerndarlehen kann hingegen zu fehlerhaften Ergebnissen führen, da es auf die Glaubhaftmachung der Kapitaldiensttragfähigkeit ex ante ankommt.
Handlungsempfehlungen für Unternehmen
Grundsätzlich ist der dreigliedrige Fremdvergleichstest gem. § 1 Abs. 3d Satz 1 Nr. 1 AStG zu dokumentieren, damit den Fremdfinanzierungsvergütungen der Betriebsausgabenabzug nach dieser Vorschrift nicht versagt werden kann.
Trotz des konträren Ziels des Wachstumschancengesetz wird die Regelung wiederum zu Befolgungskosten und einem höheren Dokumentationsaufwand für den Steuerpflichtigen führen.
Insbesondere sind durchzuführen:
- Eine Schuldentragfähigkeitsanalyse sowie Finanzbedarfsanalyse für die betroffenen konzerninternen Finanzierungsbeziehungen
- Eine Überprüfung des Zinssatzes auf Basis des Gruppenratings sowie gegebenenfalls die Ableitung von Einzelratings (sogenanntes notching down) der (inländischen) Darlehensnehmer
- Als neuer Aufwand die Dokumentation der beiden erstgenannten Punkte.